Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

10:43:09 - HFF MÜNCHEN | KOMPETENZMAGAZIN

Perspektivwechsel| HFF 97 Jungen immer noch liebt. Er geht ein kleines bisschen über das Foto, dann schärfer auf ihr Gesicht. Das sind ­Momente, wo man eine Wahr- heit ­ge­funden hat. Eine Szene wie im Spielfilm, die aber viel authentischer rüberkommt. Sie kennen diesen Satz, es gäbe in Wirklichkeit keinen Unterschied zwischen Dokumentarfilm und Spiel- film, weil Spielfilm ja auch nur die Arbeit der Schauspieler doku- mentiere. Insofern wäre der Spiel- film auch ein Dokumentarfilm. Im einen Fall beobachten Sie einen Schauspieler bei seiner Arbeit, im anderen Fall die authentische Person, die jedoch, wenn eine Kamera im Raum ist, sich dessen bewusst ist und anderes agiert. Beides ist immer inszeniert. Auch ­Politiker sind in gewisser Weise Staats­ schauspieler. Das wissen sie auch, und der Vorgang beschleunigt sich ja in den letzten Jahren. Früher waren sie urwüchsig, so eine Art Volks­chau­ spieler. Heute üben sie das schon im Kameratraining. In der ­heutigen Medienwelt hätte Bismarck mit seiner hohen Stimme vielleicht keine Chance mehr, Kanzler zu werden. Ich muss natürlich den Schauspieler dazu bringen, eine solche Aura, die der Politiker mitbringt, erstmal an sich anzulegen. Manchmal ist der Po- litiker ja auch ein Würstchen und fällt vor der Kamera in nichts zusammen, wie Schauspieler auch, wenn sie nichts haben, was sie mobilisieren können. Uns hat aber immer eher ein suchen­ des Fernsehen interessiert. Die Men- schen mitzunehmen auf dem Weg, eine Geschichte zu verstehen und mit uns zu Detektiven zu werden: „Passt auf, was ich erzähle. Passt auf, was ihr in dem Bild erkennt.“ Und die Gegenwart? Würde es Sie interessieren, eine aktuelle poli- tische Situation auf Ihre Art zu drehen? Die Folterungen in Abu Ghraib zum Beispiel, inklusive George W. Bush. Würden Sie da auf Inszenierung verzichten oder versuchen, zur ­dramaturgischen Verdichtung eine ähnliche Methode wie bei Ihren ­anderen Filmen anzuwenden? Ich musste ja oft Geschichten erzäh- len, für die es keine dokumentari- schen Bilder gab. Wenn man aber den ­Präsidenten exklusiv haben kann, und die Geschichte läuft noch, und er sagt: „Ich habe angeordnet, dass keine Folter mehr stattfindet“, dann würde ich eine Parallel­geschichte bauen. Einen Tag mit dem Präsidenten und einen Tag mit den Gefangenen in Abu Ghraib. Wenn man den Präsidenten einen Tag ganz haben dürfte, wenn man so dicht herankommen könnte, dann wäre der Dokumentarfilm der Herr- scher der Situation. Er ist durch nichts zu überbieten, weil Sie Bush nie so echt hinkriegen, wie er wirklich ist. Ich kann mir das aber auch sehr gut als Spielfilm vorstellen. Man muss wissen, was man hat, was man be- kommt und wie man dieses Thema entwickeln will. Man kommt ja nicht so exklusiv an die Planungsräume der Politik ran, an die Hinterzimmer der Macht. Uns werden nur inszenierte Auftritte angeboten. Sie sagten, dass Ihnen sehr viel daran liegt, Ihre Filme in der ­Primetime zu zeigen. Welche Kompro- misse müssen Sie dafür eingehen? Ich glaube nicht, dass ich mit einem Dokumentarfilm über das Leben von Thomas Mann um 20:15 Uhr drei Abende bekommen hätte. Man war schon so erschrocken genug, dass ein Dichter an drei Abenden mit seinem Portrait in der ARD laufen sollte. Und Sie würden mit Dokumentarfilmen über Wehner, Barschel oder die RAF immer im dritten Programm landen, um 22:15 Uhr oder später. Nur indem wir eine andere Form entwickelt haben, konnten wir das Budget, den Platz und die Aufmerk- samkeit bekommen. Wenn ich dabei aber einen Fehler gemacht hätte, wäre ich auch schnell wieder weg gewesen. Das geht step by step und zunächst mit kleinen Budgets. Nur so kann man erzählen, wie man erzählen will. Das ist kein Kompromiss. Aber es war ein Kompromiss, dass ich nur formatgetreue neunzig ­Minuten machen durfte. Es geht nichts anderes mehr. Das ist ein ­Kompromiss, das ist klar. Das habe ich schon kommen sehen. Talk between Heinrich Breloer and Heiner Stadler on 21 July 2007 in the Hotel Bayerischer Hof in Munich Heinrich Breloer has undertaken a long, successful journey from documentary to docudrama and on to feature film. The talk with Heiner Stadler takes place on the afternoon before the first day of the shooting of “Buddenbrooks”, and an ­amazingly relaxed Breloer takes all the time in the world to reflect on genre ­distinctions, the constraints of television, and staged reality. Stadler: You are familiar with the notion that ­in reality there is no difference between documentary and feature film, because feature film only documents the work of the actors. In this sense the fea­ ture film is also a documentary film. In one case, you are observing an actor at work, in another case the authentic person, but who, when a camera is in the room, is conscious of it and acts differently. Breloer: Both are always staged. Politi­ cians, too, are in a certain way state actors. They also know this, and the process has ­accelerated in recent years. They used to be earthier, more like folk actors. Today they even practice it before the ­camera. In today’s media world, Bismarck with his high voice might not have had a chance to become chancellor. Of course I have to first get the actor to assume the same aura that the poli­ tician already possesses. Sometimes the poli­tician is a nonentity who simply collapses in front of the camera, just like actors when they have nothing they can mobilise. But we were always more interested in a “searching” television. To take the people with us along the way, to under- stand a story and to become detectives together with us: “Pay attention to what I’m saying. Pay attention to what you recognize in the picture.” And the present? Would you be interes­ ted in shooting a current political situation in your style? The torture in Abu Ghraib, for example, including George W. Bush. Would you do without any staging or try to use methods similar to those in your other films in order to achieve a dramatic con­ centration? I often have to tell stories for which there are no documentary pictures. But if you can get an exclusive interview with the President and the story is still going on and he says: “I have ordered that there shall be no more torture”, then I would build in a parallel story. A day with the President and a day with the prisoners in Abu Ghraib. If you could have the President to your­ self for a day and could get so close to him, then the documentary film would rule the situation. It would be unsurpassed because you can never portray Bush in as genuine a way as he is in reality. But I can also easily imagine that as a feature film. You have to know what you’ve got, what you can get and how you can develop the subject matter. You never get into so exclusive close contact with the planning rooms of politics, the back rooms of power. We are only offered staged appearances.

Pages