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10:43:09 - HFF MÜNCHEN | KOMPETENZMAGAZIN

82 Das Studium | HFF Prof. Doris Dörrie Wir haben in Deutschland ein nationales Schreibhandikap, weil wir im Grunde zutiefst davon überzeugt sind, dass man schreiben nicht lernen kann. Entweder man fällt als Goethe vom Himmel auf deutschen Boden – oder man sollte es doch besser gleich bleiben lassen. So ergibt das ständige Gejammere, es gäbe bei uns keine Autoren, natürlich Sinn. Die Amerikaner haben mit ihrem schrecklichen Optimismus, dass man alles schaffen kann, auch vor dem Schreiben nicht Halt gemacht. Schon lange vor der Erfindung des „Creative Writing“ (Im Unterschied zu was? Auch Einkaufszettel schreiben kann kreativ sein. Muss nicht.) gab es dort eine Vorstellung, dass man allein durch Schreiben schreiben lernen kann. Eine viel pragmatischere und nicht in Ehrfurcht erstarrte Haltung dem Schreiben gegenüber. Zuallererst ist Schreiben Handwerk. Schreiben ist wie Sport: Jeden Tag muss man seinen Schreibmuskel trai­ nieren. Üben. Weiter­schreiben. Sitzen­ bleiben. Ob es dann Kunst ist, stellt sich erst sehr viel später heraus. Das ist mein Hauptziel in der Arbeit mit den Studenten: Schreiben als Hand­ werk aufzufassen und dadurch auch die Angst davor zu verlieren. CREATIVE WRITING Gleichzeitig die Erörterung der Frage: Was will ich eigentlich erzählen? Und warum? Diese scheinbar harmlosen Fragen können einen leicht um den Verstand bringen, denn nichts ist schwieriger zu beantworten. Sich wie ein Maulwurf immer tiefer in diese beiden Fragen hineinzubaggern, ausgerüstet mit guter Technik und gutem Werkzeug, ist Weg und Ziel des Lehrstuhls „Creative Writing“. Gleichzeitig wird trainiert, Auftrags­ arbeiten in festgelegten Formaten zu schreiben. Denn die Kunst ist zwar schön, aber zu essen braucht man auch. Zur Belohnung gibt es für jeden Jahr­ gang das Abenteuer einer Exkursion im zweiten Semester. Wir waren auf Kuba, in Bilbao, sind nach Santiago de Compostela gewandert, haben ­ in Transsylvanien nach Blutsaugern gesucht, haben in Jerusalem mit ­isra­elischen Filmhochschülern gemein­ sam Geschichten aus zwei Welten ­geschrieben. Zusammen auf Expedition zu gehen und die weißen Flecken der bisher ­unerzählten Stoffe zu finden, – was könnte schöner sein? „Was heißt überhaupt ‚Kreatives Schreiben‘? Es heißt: zuhören und hinschauen. Neugier auf die Welt und ihre Menschen entwickeln. Eine eigene Stimme trainieren, mit der man sie beschreibt. Die Form beherrschen lernen und gleichzeitig spielerisch mit ihr umgehen. Es heißt, sich immer wieder aufrufen, ein spielender Mensch zu sein, der die ganze Schön- heit und die ganze Scheiße dieser Welt beschreiben möchte.“ Prof. Doris Dörrie

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