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10:43:09 - HFF MÜNCHEN | KOMPETENZMAGAZIN

Perspektivwechsel| HFF 85 JOURNALIST AND HFF GRADUATE CHRISTOPH GRÖNER SPOKE WITH AWARD-WINNING ACTOR AUGUST ZIRNER Gröner: Mr Zirner, a short while ago you acted in a student’s exercise film. How come? Zirner: In this special case, I’ve known the director since she was five years old. The experience with the production, how­­ ever – this doesn’t apply to the director – was similar to that with professionals: there was a sponsored BMW, but nobody thought to put a chair there for me. If it’s a school film, then I want productive chaos, not pseudo-professionalism. No pretending. There was even a cigarette brand sponsoring the film. Gröner: Have the newcomers taken a turn for the worse? Zirner: No, there is no prototype of the newcomer, and there are some really great results. For example, in 1998 the young director Marco Kreuzpaintner sent me his screenplay for “Entering Reality”, with a sentence from Peter Handke and Wim Wenders on the cover. He was 19 years old and quoting Handke! Kreuzpaintner sat there shaking in my living room and wanted to know if I would play in the film. The way he sat there, nervous, but burning with something to say – I really liked that. My reason for working with young directors is purely egotistical: I want to learn something. Gröner: And what would that be? Zirner: It’s really brilliant when you see that someone wants something. Some­ one has a vision. The film branch is con- stantly getting colder, more cynical, more pseudo-American, and I’m happy when someone has a vision. Unfortunately, Marco is meanwhile so famous that he no longer knows who I am. Gröner: Frau Schubert, wie ist das bei Ihnen? Wollen Sie den Nachwuchs kennenlernen? Katharina Schubert: Ich kann August Zirner nur zustimmen. Mit dem jungen Münchener Filmemacher Ralf Westhoff hat schon der Kurzfilm „Der Bananenkaktus“ Spaß gemacht. Bei seinem Film „Shoppen“ habe ich nicht einmal das Buch ganz gelesen und habe schon zugesagt. Das hat nichts mit Unterstützung zu tun. Gröner: Herr Zirner, Sie haben kürzlich in einem ersten Übungsfilm mitgewirkt. Wie kommt es dazu? Zirner: In dem speziellen Fall kenne ich die Regisseurin schon, seit sie fünf ist. Da ist man natürlich neugierig. Eigentlich ging das zeitlich auch nicht, denn ich war mitten im Dreh von „Herr Bello“ – das habe ich an einem freien Wochenende eingeschoben. Die Erfahrung mit der Produktion aller- dings – das betrifft nicht die Regie – ähnelte eher der mit Profis: Da stand ein gesponserter BMW, aber man kam nicht auf die Idee, mir einen Stuhl hinzustellen. Wenn schon Hochschul- film, dann will ich produktives Chaos, kein Pseudo-Profitum. Kein so tun, als ob. Es gab sogar eine Zigaretten- Marke, die den Film sponserte. Gröner: Der Nachwuchs hat sich zum Negativen verändert? Zirner: Nein, es gibt keinen Prototyp des Nachwuchses, und es gibt ganz tolle Erlebnisse. Zum Beispiel 1998 mit dem jungen Regisseur Marco Kreuzpaintner: Der hatte mir sein Buch zu „Entering Reality“ geschickt, da war ein Satz von Peter Handke und Wim Wenders auf dem Deckblatt. Der war neunzehn Jahre alt und führte Handke im Mund! Kreuzpaintner saß dann zitternd bei mir im Wohnzimmer und wollte wissen, ob ich mitspiele. Wie er da saß: Nervös, aber der brannte, weil er etwas zu erzählen hatte. Das hat mir gefallen. Mein Grund, mit jungen Regisseuren zu ­arbeiten, ist ganz egoistisch: Ich will was lernen. Gröner: Was soll das sein? Zirner: Es ist doch wunderschön, wenn man merkt, jemand will was. Jemand hat eine Vision. Die Branche wird immer kälter, zynischer, pseudo- amerikanischer, ich freue mich, wenn jemand eine Vision hat. Leider ist Marco inzwischen so bekannt, dass er nicht mehr weiß, wer ich bin. Katharina Köster: Wie komme ich als Drehbuch-Studentin denn überhaupt dazu, Ihnen meine Lust an der ­Zusammenarbeit zu vermitteln? Oft stehen doch Agenturen dazwischen. Zirner: Dann müssen Sie jemanden finden, der mich kennt und mich direkt anrufen. Aber eigentlich gibt meine Agentur solche Anfragen weiter. Die interessieren sich für das, was vom Nachwuchs kommt. Köster: Ich habe schon Angst, ­gewisse Schauspieler anzusprechen. Wenn man noch sehr jung ist, weiß man nicht, ob es in Ordnung ist, sich an einen erfahrenen Schauspieler zu wenden. Zirner: Ich an Ihrer Stelle hätte auch die Angst. Aber man muss wissen, was man will, das ist klar. Bei „Selbst- gespräche“ habe ich gerne auch ein paar Takes mehr gemacht. Ich wurde nur an einem Tag mal sauer: Da hieß es vier Mal: „Wir Drehen“, und vier Mal wurde nicht gedreht. Das ist ein- fach ungeschickt, da verliert man Energie. Mir ist wichtig, dass man lernt, Respekt voreinander zu haben. Gröner: Und Sie lassen sich denn am Set von Nachwuchsregisseuren etwas sagen? Zirner: Unbedingt, wenn jemand etwas zu sagen hat. Ich höre mir doch auch von meinen Kindern Kritik an. Blöd ist nur, wenn jemand eine ­Attitüde hat. Schubert: Ich habe mit dem HFF-Ab- solventen Oliver Haffner bei dessen Abschlussfilm „Lecke Milch“ eine tolle Erfahrung gemacht. Mein Empfinden bei vielen ersten Filmen an der Hoch- schule ist aber, dass technisch oft vieles schon ausgefeilt, inhaltlich aber sehr dünn ist. Es ist doch ein Ge- schenk an der Filmhochschule: Man kann viel machen, ohne dass einem jemand reinredet. Das passiert danach nie wieder. Dass man sich in vorauseilendem Gehorsam den Zwang auferlegt, konform zu sein, finde ich erstaunlich. Gröner: Sie wünschen sich also mehr experimentelle Filme? Schubert: Filmer sollten bei sich sein. Ich will aus niemandem mit Holly- wood-Visionen jemanden machen, der einen Experimental-Film dreht. Es gab Kunststudenten, die bei Beuys studierten – die sahen nach zwei Wochen so aus wie er! Aus denen wurden nicht die guten Künstler. Die Hochschulzeit ist dafür da, sich selbst zu entdecken und vielleicht Bestehen- des in Frage zu stellen. Gröner: Schaut man eigentlich eher auf die Regisseure, wenn sie Nach- wuchspreise gewinnen? Schubert: Ich bin sehr misstrauisch Preisen gegenüber. Preise sind super, weil sie Geld bedeuten. Es trifft auch sicher oft die Richtigen. Man darf sich aber nicht auf dieses Spiel einlassen. Man muss die Medienmaschine ­ver­stehen, damit man frei bleibt. Köster: Wir müssen aber schon dran denken, dass wir später vom Film leben. Schubert: Wieso? Man fängt doch nicht damit an, um reich zu werden. Köster: Nicht um reich zu werden, aber um davon zu leben. Schubert: Es gibt doch viele Leute, ­ die Nebenjobs machen, um ihre Doku­ mentarfilme zu drehen. Das Leben allgemein ist viel amerikanischer ­geworden auf eine gute Art: Weil die Sicherheit verloren geht, wird die Freiheit wieder größer. Gröner: So eine Lässigkeit ist schwer zu erreichen. Zirner: Ich finde am Scheitern nichts Schlimmes. Ich habe sicher von meinen Fehlern am meisten gelernt. Es geht doch auch darum: Man hat die Hochschulzeit, um auf hohem Niveau zu scheitern. Schubert: Im Grunde kann man ­ in dieser Zeit alles machen. Duke ­Ellington hat einmal gesagt, es gibt zwei Arten von Musik: gute und schlechte. Das sagt doch alles.

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