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MADE IN GERMANY

6 »Ich verwende das Medium Fotografie, weil meine Arbeitsweise und die Arbeitsprozesse mit dem Potenzial des Augenblicks um­ gehen«, sagt Philine von Sell. Es sind diese kurzen, nur Sekun­ denbruchteile dauernden Momente, die von Sells Bilder und Geschichten entstehen lassen, welche sich mit der Vehemenz ihrer sinnlichen Kraft einbrennen und am Ende genau das Ge­ genteil des sich verflüchtigenden Augenblicks meinen: Sie lassen Außen- und Innensicht, An- und Einsicht ineinander aufgehen. Die Arbeiten Philine von Sells verbinden daher die Dokumen­ tation des Zufalls mit der Assoziation des Wesentlichen, das ­objektiv Vorgefundene mit der subjektiven Umgestaltung. Auf diesem Weg werden die Fotografien deutscher Fabriken und Manu­fakturen, ihrer Produkte und ihrer Fertigungsprozesse, ihrer alltäglichen Routine und den standardisierten Gesten zu Bildern mit ganz eigener Ästhetik und der Unverwechselbarkeit eines Fingerabdrucks. Dies spiegelt sich auch im formalen Vor­ gehen der Fotografin wider: Philine von Sell wählt das in den Blick genommene Motiv, macht ihre Aufnahmen ohne Stativ mit einer analogen Mittelformatkamera, akzeptiert ausschließlich das vorhandene Licht und verzichtet auf jegliche spätere Mani­ pulation. Der Handabzug schließlich entspricht dem Respekt der Künstlerin demgegenüber, was sie mit der Kamera im schöns­ ten Sinne des Wortes festhält. Die Finesse dieses Vorgehens und das zeitlose, fast klassische Vokabular finden ihre Entspre­ chung in der Wertigkeit der Produkte, denen sich Philine von Sell mit den hier vorgestellten Aufnahmen zuwendet. Aus der beschriebenen Annäherung und Aneignung kommt diesem künstlerischen Projekt eine gesellschaftspolitische ­Relevanz zu, der sich die Konrad-Adenauer-Stiftung, die die Förderung von Kunst und Kultur als Satzungsaufgabe verankert hat, mit besonderem Engagement zuwendet: Philine von Sell dokumentiert und gestaltet, was sich in dem längst auf das ­pekuniäre Moment reduzierten Begriff Wertschöpfung verbirgt, nämlich den sich ergebenden, kostbaren Mehrwert jenseits aller Messbarkeit. Die Erkenntnis eines Moments der emotionalen Qualität, die sich über ein durchaus eben auch ästhetisch ge­ speistes kulturelles Gedächtnis erschließt und signalisiert: Hier geht es um individuelle – und am Ende vielleicht kollek­tive – Identität. Wer erinnert sich nicht, wie es sich anfühlt, einen Buntstift von Faber-Castell in der Hand zu halten, seine Kanten und den gelackten Knopf am Stiftende abzutasten? Solche Erin­ nerungen sind frei von aller konsumorientierten Oberflächlich­ keit, sondern enthüllen – geradezu im Gegenteil – die Magie der perfekten Oberfläche, die sich als Teil des eigenen Innenlebens manifestiert hat. Der Wirtschaftsstandort Deutschland besitzt viele Produk­ tionsstätten, deren Erzeugnisse entscheidend zu unserer kul­ turellen (Aus-)Bildung beigetragen haben und Teil unserer ­Lebenswelt geworden sind. So selbstverständlich und beiläufig wie die Fotos von Philine von Sell – und ebenso nachhaltig. Das Durchblättern dieses Buches ist daher auch eine Ent­ deckungsreise, die sich durch die Mischung aus naturalis­ tischem und ver­fremdendem Blick besonders spannend ge­ staltet und un­miss­verständlich deutlich macht, dass die meist menschen­leeren Motive nichts anderes tun, als pausenlos auf den Menschen (und damit auf uns) zu verweisen. Hier geht es um das Nach­spüren unserer Geschichte anhand von Traditions­ unternehmen, was nichts mit einer mythisch aufge­ladenen Übertreibung von Auftragsfotografie zu tun hat. Das unbestech­ liche künstlerische Auge von Philine von Sell ist selbstbewusst; und es ist unser Selbstbewusstsein, das sich in diesem Spiel aus Nähe und Distanz, aus Nüchternheit und Sympathie wieder­ findet. Die Konrad-Adenauer-Stiftung freut sich, ein Projekt zu begleiten, das gleichermaßen von künstlerischer Qualität wie von gesellschaftspolitischer Aussagekraft geprägt ist. Philine von Sell erinnert den Betrachter an die identitätsstiftende Schönheit von Alltagsprodukten und mahnt ohne didaktische Ambition die Wirtschaft, sich der prägenden ästhetischen Kraft ihrer Fertigung bewusst zu sein. Ansprechender kann die Ver­ bindung von Sinnlichkeit und Verstand nicht sein. VON DER WERTSCHÖPFUNG HANS-JÖRG CLEMENT

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